Leitfaden für Telemedizin: Geschichte, Vorteile, Implementierung und mehr

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23 min zu lesen

Die im Gesundheitswesen zu beobachtenden Veränderungen gaben in den letzten Jahren immer wieder Anlass zu Diskussionen. Besonders die Big-Data-Revolution erhitzte die Gemüter – nicht ganz ohne Berechtigung. Denn es geht nicht nur darum, große Datenmengen zu erfassen, sondern auch zu wissen, wie man sie analysiert. Je effektiver die Datenanalysen, desto genauer geben sie Auskunft über die Patientengesundheit und darüber, wie der Lebensstil oder genetische Faktoren sie möglicherweise beeinflussen. Und die gegenwärtige technologische Transformation geht sogar noch weiter. Schon bald könnte Telemedizin auch das Gesicht der Gesundheitsversorgung oder sogar das Gesundheitssystem als Ganzes verändern.

Telemedizin gibt es nicht erst seit gestern, und doch hat sie sich über lange Zeit nur sehr zurückhaltend entwickelt. Dies änderte sich schlagartig mit dem Ausbruch von COVID-19. Aufgrund der weltweit angeordneten Social-Distancing-Maßnahmen und des Versuchs von Ärzten, den direkten Kontakt mit Patienten zu beschränken, griffen die Menschen plötzlich vermehrt auf Telemedizin-Apps zurück. Diese ermöglichen Arztgespräche und Primärversorgung ohne direkten Kontakt mit dem Patienten. Auch nach der Pandemie wird uns die Telemedizin voraussichtlich erhalten bleiben. Ein Grund dafür dürfte sein, dass sowohl Gesundheitsversorger als auch Patienten sich immer mehr an sie gewöhnen.

Der Trend zur Telemedizin wurde zwar durch die Pandemie erheblich verstärkt, doch auch andere Aspekte unseres Alltags spielen eine Rolle. Wir sind mittlerweile an Videotelefonate und Videokonferenzen gewöhnt, und unsere Arbeitsweise hat sich ebenso verändert wie unser Alltag – im Kontakt mit weltweit verstreuten Kunden und Kollegen oder mit Familie und Freunden. 

Vieles deutet also darauf hin, dass die Telemedizin höchstwahrscheinlich auch nach der Pandemie eine vielversprechende Zukunft im Gesundheitssystem haben wird. Sie bietet uns die Möglichkeit einer schnellen und einfachen ärztlichen Konsultation ohne den Aufwand eines Praxis- oder Klinikbesuchs.

Nur was genau ist Telemedizin eigentlich? Welche Zielgruppe gibt es für Telemedizin in Großbritannien? Wo liegen ihre Vor- und Nachteile? In diesem Leitfaden geben wir Ihnen einen umfassenden Überblick darüber, was man unter Telemedizin versteht (oder allgemeiner unter Telehealth, in Deutschland bekannt als E-Health) und wie sie die Bereitstellung von Gesundheitsdiensten in den kommenden Jahren verändern wird. Angefangen bei der genauen Definition und einem Blick auf die Geschichte bis hin zu den Vorteilen und möglichen Nachteilen der Telemedizin, den unterschiedlichen Kategorien und der verwendeten Terminologie. Neugierig geworden? Lesen Sie weiter.

Was ist Telemedizin?

Unter Telemedizin versteht man kurz gesagt die Remote-Bereitstellung medizinischer Versorgung und Beratung.

Diese erfolgt zum Beispiel über Internet und Videochat-Apps. Da Videochat inzwischen allgemein weit verbreitet ist, greifen viele Gesundheitsversorger auf E-Health-Methoden zurück, um ihr knappes Budget etwas zu entlasten. 

Auch die Patienten scheinen sich nach anfänglicher Unsicherheit zunehmend an die Vorstellung zu gewöhnen. Wie erwähnt, führte COVID-19 zu einem plötzlichen Anstieg von Remote-Terminen, da Ärzte versuchten, den direkten Patientenkontakt einzuschränken.

Durch Telemedizin können Patienten und Ärzte miteinander kommunizieren, ganz gleich, wo sie sich befinden. Voraussetzung ist lediglich eine zuverlässige Internetverbindung. Doch Telemedizin hat weit mehr zu bieten als nur Standard-Videotelefonate. Mit Telemedizin-Apps können Ärzte und Patienten verschiedene Arten von Informationen austauschen, z. B. Ergebnisse von Blutdruckmessungen und sonstige Untersuchungsergebnisse. 

Da die Patienten erlebt haben, wie Technologie ihren Alltag verändert, liegt es für sie nahe, das Gleiche in der Gesundheitsversorgung zu erwarten. Natürlich bildet Telemedizin keinen vollständigen Ersatz für den persönlichen Arztbesuch oder klinische Leistungen – in vielen Situationen müssen Ärzte ihre Patienten vor sich haben. Für kurze Kontrollen o. ä. eignet sich Telemedizin jedoch sehr gut.

Wichtig zu wissen ist außerdem, dass die Telemedizin in verschiedene Kategorien unterteilt ist. Man unterscheidet insbesondere folgende drei Hauptkategorien: 

  • Interaktive Telemedizin (Patienten und Ärzte kommunizieren in Echtzeit) 
  • Store-and-Forward (Gesundheitsversorger dürfen gespeicherte medizinische Daten der Patienten an andere Praxen weiterleiten)
  • Telemonitoring von Patienten (mit mobilen Medizingeräten erfasste Daten werden von Remote-Versorgern zur Überwachung der Patienten und des Behandlungserfolgs genutzt) 

Die bei den Patienten wohl bekannteste Kategorie ist die interaktive Telemedizin. Hier erhalten sie über eine der verfügbaren Mobil-Apps einen Remote-Termin bei ihrem Arzt.

Wie bereits erwähnt, hat die telemedizinische Versorgung verschiedene Ausprägungen. Meistens sprechen die Patienten in einem Videotelefonat mit einer ärztlichen Fachkraft, um ihre Anliegen und Beschwerden zu besprechen. Telemedizin-Apps unterliegen strengen Datenschutz– und Sicherheitsauflagen, sodass die Privatsphäre der Patienten geschützt ist. 

Andere Telemedizin-Services wiederum dienen zur Überwachung des Patientenzustands mithilfe portabler Kits und Geräte. Telemedizin kann auch in Form von Videokonferenzen stattfinden oder durch Speichern und Weiterleiten von Daten zur Begutachtung. Es kommt immer darauf an, was die Patienten brauchen und welche Methode sich für ihre individuelle medizinische Versorgung am besten eignet.

Mittlerweile ist es bei zahlreichen Erkrankungen üblich, Telemedizin einzusetzen, z. B.: 

  • Asthma und Atemwegsinfektionen
  • Erkältung und Grippe
  • Verstauchungen und Zerrungen
  • Arthritis
  • Bronchitis 

Des Weiteren kann Telemedizin von Chirurgen genutzt werden, um den Patientenzustand nach einer Operation zu beobachten. Ebenso können Onkologen mit ihren Patienten per Telemedizin über Ergebnisse und Behandlungspläne sprechen. Dies wäre zwar auch über Telefon möglich, doch in diesem Fall kann es zur Beruhigung beitragen, den Ansprechpartner zu sehen. Außerdem bietet die Videofunktion den Patienten die Möglichkeit, etwaige sichtbare körperliche Symptome einer Erkrankung zu zeigen.

Zudem hängt es von der Art des Gesundheitsversorgers ab, welche Variante der Telemedizin im einzelnen Fall zur Verfügung steht. Bei einigen privaten Gesundheitsanbietern kann es zum Beispiel sein, dass je nach Art der Konsultation eine Telemedizinlösung angeboten wird oder nicht. 

Sprechen Sie im Zweifelsfall mit Ihrem ärztlichen Ansprechpartner oder Ihrer Versicherung (in den USA z. B. Medicare oder Medicaid), wenn Sie mehr wissen möchten und unsicher sind, welche Telemedizin-Optionen Ihnen zur Verfügung stehen. Dort können Sie sich auch genauer über die geltenden Vorschriften und Sicherheitsmaßnahmen informieren. Die Vertraulichkeit Ihrer Daten und der Schutz Ihrer Privatsphäre sollten selbstverständlich oberste Priorität haben. Dies im Detail zu prüfen, ist immer empfehlenswert, und sei es nur, um sich selbst Gewissheit zu verschaffen.

Definition von Telemedizin

Angesichts der jüngsten Entwicklungen, die zu einem rasanten Wachstum der Telemedizin geführt haben, und der Fülle an verschiedenen über Telemedizin-Apps angebotenen Services, stellt sich fast unvermeidlich eine gewisse Unsicherheit ein, wie nun Telemedizin unter welchen spezifischen Umständen genau zu definieren sei. Wie bereits erwähnt, findet der Begriff Telemedizin sehr breite Verwendung, um das große Spektrum an unterschiedlichen Funktionen und Services abzudecken. 

Telemedizin-Unternehmen handhaben den Begriff bisweilen vielleicht zu beliebig und erschweren es den Patienten (als Laien) damit, seine genaue Bedeutung zu verstehen. Sehen wir uns deshalb einmal genauer an, wie Telemedizin definiert werden kann, um Zweifel auszuräumen und die korrekte Bedeutung klarzustellen.

Unklarheit herrscht vor allem über die Begriffe ‚Telemedizin‘ und ‚Telehealth‘ (in Deutschland bekannt als E-Health). Sie werden heute zunehmend beliebig untereinander ausgetauscht bzw. als Synonyme verwendet. Doch dies trägt unter Umständen nur noch mehr zur Verwirrung bei und lässt außer Acht, wie sich die beiden Begriffe unterscheiden. 

Telehealth (E-Health) ist der Oberbegriff für ein breiteres Spektrum IT-gestützter Gesundheitslösungen. Darunter fällt auch die Telemedizin, die in ihrer Bedeutung aber stärker eingegrenzt ist. Wir sehen uns die Begrifflichkeiten hier noch einmal genauer an und versuchen, etwas mehr Klarheit zu schaffen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Telemedizin als „Heilen aus der Ferne“, d. h. als Remote-Bereitstellung von Gesundheitsdiensten für Patienten. Hierzu gehört der Einsatz von Kommunikationstechnologie (z. B. videobasierte Apps), um eine Fernbehandlung durchzuführen oder eine Ferndiagnose zu stellen. Auch die Nutzung medizinischer Bildgebung oder Videosprechstunden sind demnach der Telemedizin zuzuordnen. 

Doch wie ist Telehealth zu definieren? Telehealth bezeichnet kurz gesagt die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Bereitstellung und Unterstützung von: 

  • medizinischer Versorgung über große Distanz
  • öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen
  • allgemeiner gesundheitlicher Aufklärung
  • spezifischer medizinischer Aufklärung 
  • administrativen Funktionen 

Es handelt sich also um ein weit größeres Aufgabengebiet als das der Telemedizin, wenngleich es diese mit einschließt. Dies wird dadurch deutlich, dass die Definition von Telehealth auch unterstützende Funktionen beinhaltet. Das heißt, Remote-Meetings im Verwaltungsbereich oder Videokonferenzen in der medizinischen Fachwelt wären ebenfalls gute Beispiele für Telehealth.

Im Gesundheitssektor wird die Debatte um die Definitionen von Telehealth und Telemedizin weiterhin geführt, während die Medien – und demzufolge auch die Patienten – dazu neigen, die Begriffe beliebig untereinander auszutauschen. Wenn wir in diesem Leitfaden über Telemedizin sprechen, beziehen wir uns nur auf diesen speziellen Begriff, um weitere Unklarheit zu vermeiden. 

Sollten Sie als normale Patienten – und somit als Laien – im Gespräch mit einer medizinischen Fachkraft einmal den Begriff ‚Telehealth‘ verwenden, wird Ihr Gesprächspartner trotzdem wissen, was Sie meinen. Es kommt nicht unbedingt nur auf die Verwendung der richtigen Terminologie an.

Vielmehr ist anzunehmen, dass im Verlauf der weiteren Entwicklung der Telemedizin sich auch der Begriff erweitern und ein breiteres Spektrum an Behandlungen und Services umfassen wird. Die Grenze zwischen Telemedizin und Telehealth dürfte dann fließender werden als bisher. 

Für normale Patienten, die sich im Allgemeinen nicht laufend über neueste Entwicklungen und Details der Gesundheitsversorgung informieren, können hier leicht terminologische Unklarheiten entstehen. Dieser Punkt wird künftig hoffentlich auch von Telemedizin-Anbietern und Ärzten erkannt und berücksichtigt. 

Wer als Patientin oder Patient mit den unterschiedlichen Begriffen und deren manchmal inkonsistenter Verwendung Schwierigkeiten hat, kann sich zur Klärung jederzeit an eine ärztliche Fachkraft wenden oder im Internet recherchieren (zum Beispiel auf vertrauenswürdigen Seiten wie der des NHS).

Geschichte der Telemedizin

Telemedizin-Plattformen sind erst in jüngster Zeit einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden, sodass es durchaus verzeihlich wäre, sie für ein ganz neues Phänomen zu halten. Fast scheint es, als sei sie im Laufe des vergangenen Jahrzehnts aus dem Nichts aufgetaucht, tatsächlich jedoch reicht die Geschichte der Telemedizin-Technologie deutlich weiter zurück. 

Seit gut einem halben Jahrhundert experimentieren Gesundheitsversorger und ärztliches Fachpersonal mit verschiedenen Arten der Bereitstellung von Remote-Diensten. Erst in den letzten Jahren entwickelte sich daraus die Telemedizin, wie wir sie heute kennen.

Um den langen Werdegang der Telemedizin zu verstehen, muss man sich zunächst die Ursprünge der Telekommunikationstechnologie vergegenwärtigen. Die Erfolgsgeschichte der Telekommunikation begann im späten 19. Jahrhundert, der Geburtsstunde von Erfindungen wie Telefon (1876 durch Alexander Graham Bell), Radio (in den 1880er und 1890er Jahren durch Pioniere wie Heinrich Hertz und Guglielmo Marconi), Telegraf und anderen Technologien. 

Mit dem neuen Transportmittel Eisenbahn, das nationale Tageszeitungen großflächig verbreiten konnte, erlebte außerdem die Massenkommunikation im 19. Jahrhundert einen rasanten Aufschwung. Auf diese Weise entstand erstmals so etwas wie eine allgemeine Öffentlichkeit, die eine Nachfrage nach weiteren neuen Formen der Kommunikation generierte.

Ab der Jahrhundertwende fing man an, die Anwendung dieser neuen Technologien auszuweiten und sie für andere neue Erfindungen, darunter auch medizinische, einzusetzen. Dies hatte bereits 1879 ein Bericht in der führenden medizinischen Fachzeitschrift “The Lancet” vorausgesagt. In diesem Bericht wurde spekuliert, wie das Telefon dazu beitragen könnte, die Anzahl unnötiger Praxisbesuche zu reduzieren. Dieser Denkansatz sollte in den darauffolgenden Jahren noch ausgebaut werden. Wenn Kommunikationstechnologien wie das Telefon helfen könnten, unnötige Praxisbesuche zu vermeiden, welche Nutzungszwecke wären dann noch denkbar?

Unter den technologischen Innovationsversuchen fanden sich natürlich auch solche, die eher unkonventioneller Natur waren. 1925 zum Beispiel entwarf Hugo Gernsback – ein ursprünglich aus Luxemburg stammender Erfinder – das Fantasiemodell eines ‚Teledactyl‘. Dabei handelte es sich um ein eigentümliches Instrument zur taktilen Untersuchung von Patienten aus der Ferne mittels Funktechnologie und einem zugeschalteten Video-Feed. Die Vision dieses Geräts wurde nie verwirklicht – glücklicherweise vielleicht –, doch sie war ein erster Schritt auf dem Weg zum videobasierten Remote-Arztgespräch für Patienten. Dieses sollte jedoch erst viele Jahre später zur Alltagsrealität werden.

Ab den 1950er Jahren begann die Telemedizin nach und nach erkennbare Form anzunehmen. In den USA zum Beispiel arbeiteten zu dieser Zeit zwei Gesundheitszentren in Pennsylvania mit Telefontechnologie, um Röntgenbilder auszutauschen. Dies wurde später von kanadischen Ärzten in der Region Montreal zu einem „Teleradiologie“-System weiterentwickelt. 

Ein weiterer großer Entwicklungsschritt gelang 1959 der University of Nebraska mit dem Einsatz eines interaktiven Zwei-Wege-Televisionssystems zur Übermittlung von Bildern neurologischer Untersuchungen an Studierende auf dem gesamten Campus. Fünf Jahre später folgte die Vernetzung der Universität mit dem 180 km entfernten Nebraska Norfolk State Hospital, um einen Austausch und gegenseitige Konsultationen zu ermöglichen.

In der Anfangsphase der Nutzung dieser frühen Formen der Telemedizin dienten sie noch vorwiegend dem Zweck, Patienten in entlegenen ländlichen Regionen Nordamerikas zu erreichen, da dort ein Mangel an medizinischen Einrichtungen und Fachkräften herrschte. 

Doch schon bald erkannten Gesundheitsversorger und Regierungsbehörden das weit darüber hinausgehende Potenzial dieser Technologie und insbesondere die Möglichkeit, gesundheitliche Probleme marginalisierter urbaner Bevölkerungsgruppen zu bekämpfen, denen oft der Zugang zu medizinischer Beratung und Behandlung fehlte. Weiteres Potenzial der Telemedizin sah man in der Reduzierung von Wartezeiten durch einfacheren Austausch von Patientendaten und Testergebnissen.

In der Folge wurde die Telemedizin mit entsprechend hohen Investitionen der US-Regierung weiter ausgebaut, z. B. durch die NASA, das US-Verteidigungsministerium und verschiedene Bereiche des US-Gesundheitsministeriums. Die finanzielle Unterstützung induzierte weitere Innovationen im Bereich der Telemedizin und führte zu einer schnellen Weiterentwicklung der Technologie in den 1960er und 70er Jahren. 

Eine annähernd mit Telemedizin vergleichbare frühe Anwendung war die Nutzung von Sprechfunk-Kanälen durch die Feuerwehr. Sie übermittelte auf diesem Weg elektrische Herzrhythmus-Signale von Notfallorten an lokale Krankenhäuser, um den Vitalstatus der behandelten Person während einer kritischen Phase aus der Ferne ärztlich überwachen zu lassen.

Ein weiteres Telemedizinprojekt aus dieser Zeit war STARPAHC (Space Technology Applied to Rural Papago Advanced Health Care). Im Rahmen dieser Partnerschaft zwischen NASA und IHS (Indian Health Service im US-Gesundheitsministerium) wurde ein System entwickelt, das sowohl für die Bewohner der Papago Reservation als auch für die Astronauten der NASA auf ihren Weltraummissionen telemedizinische Versorgung bereitstellen konnte. 

Projekte wie STARPAHC hatten zwar eher eine Nischenfunktion, gaben aber den Impuls für weitere Entdeckungen im Bereich Telemedizin. Außerdem lieferten sie der medizinischen Fachwelt neue Erkenntnisse über mögliche Anwendungen der Technologie zur Bereitstellung medizinischer Dienste und virtueller Sprechstunden unabhängig vom Standort der Patienten.

In den letzten Jahren setzten sich Telemedizin und E-Health immer weiter durch und erweiterten ihr Spektrum an Technologien und Services. Dazu gehört natürlich die zunehmend verbreitete Nutzung von Telemedizin-Apps, doch auch moderne Gesundheitstechnologien nehmen sich die Entwicklungsgeschichte der Telemedizin zum Vorbild.

Mit portablen Fitness-Messgeräten etwa (Pulsmesser, Smartwatch, Fitness-Armband etc.) lassen sich Gesundheitsdaten in Echtzeit anzeigen und überwachen. Sogar Smartphones bieten oft standardmäßig eine eigene Telemedizin-App, mit der Nutzer ihre tägliche Schrittzahl überwachen können. Durch die weite Verbreitung von Smartphones, Laptops, Tablets und anderen Mobilgeräten ist der Zugang zu telemedizinischen Services für Patienten heute so einfach wie nie – ein Trend, der sich voraussichtlich in den kommenden Jahren noch verstärken wird.

Vorteile der Telemedizin

Die potenziellen Vorteile der Telemedizin werden seit etwa zehn Jahren immer wieder heftig diskutiert. Wie bereits erwähnt, zwang COVID-19 die Ärzteschaft dazu, einen größeren Anteil der Versorgung telemedizinisch abzudecken, um möglichst viele Patienten außerhalb der Kliniken und Praxen zu halten (und fern von engen, überfüllten Wartezimmern, in denen sich das Virus leicht verbreiten kann). 

Und mittlerweile können wir sicher davon ausgehen, dass uns die Telemedizin erhalten bleiben wird. Doch es lohnt sich, einen näheren Blick auf ihre potenziellen Vorteile zu werfen und sich zu überlegen, welchen Nutzen sowohl Patienten als auch Telemedizin-Anbieter von der stärkeren Verbreitung und Implementierung von Telemedizin-Services haben könnten.

Der unmittelbarste Vorteil von Telemedizin ist, dass sie viele Wege eröffnet, um Patienten den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erleichtern und so das Patientenerlebnis insgesamt zu verbessern. Zunächst einmal sind davon natürlich Patienten betroffen, die aufgrund einer Erkrankung oder physischen Verletzung nur eingeschränkt mobil sind und deshalb Schwierigkeiten haben, zu einer Ambulanz, Praxis oder Klinik zu gelangen. Ebenso sind Ärzte nicht immer für Hausbesuche verfügbar (ihre Zeit ist kostbar und die Zahl der zu versorgenden Patienten groß). Telemedizin hilft also beiden, unnötigen Aufwand und Zeit zu sparen.

Telemedizin ermöglicht außerdem die medizinische Versorgung von Menschen überall dort, wo Gesundheitseinrichtungen in unmittelbarer Nähe fehlen. In Ländern wie in Deutschland sind die überwiegende Mehrheit der Menschen in Besitz eines Smartphones, Laptops, Tablets oder anderer Mobilgeräte. Auch in weniger wohlhabenden Ländern gehören diese zur Grundausstattung eines Großteils der Bevölkerung. 

So können sich Menschen, die nicht in der Nähe einer Klinik oder Praxis wohnen, nun dank Telemedizin ärztlich beraten lassen, was ihnen vorher vielleicht nicht möglich war.

Durch Telemedizin ist es auch leichter geworden, eine spezialisierte fachärztliche Behandlung zu bekommen, die normalerweise schwerer zugänglich ist als allgemeinärztliche Praxen. Patienten, die eine entsprechende Beratung benötigen (z. B. bei seltenen Krebserkrankungen oder anderen selteneren Krankheiten), erhalten diese per Live-Video über Telemedizin-Apps oder -Services. 

Ebenso können sich kleinere, weniger umfangreich ausgestattete Krankenhäuser die Telemedizin zunutze machen, indem sie mithilfe ihrer eigenen Telekommunikationsdienste bestimmte Behandlungen oder Diagnostikprozesse effektiv auslagern, z. B. die Verarbeitung von Testergebnissen oder die Auswertung von Röntgenbildern. 

Ein weiterer Vorteil der Telemedizin ist, dass sie Patienten mehr Mitsprachemöglichkeit gibt, was die Art ihrer Behandlung angeht. Viele Patienten sind frustriert, wenn sie den Eindruck haben, ihre behandelnden Ärzte schenken ihnen kaum Gehör. Andere wiederum vermeiden Arzttermine oder lassen sie ausfallen, weil sie aus verschiedenen Gründen Angst davor haben. 

Telemedizin verhilft Patienten zu regelmäßigerem Kontakt und damit zu einem besseren Verhältnis zu den behandelnden Ärzten. So fällt es auch leichter, eine Vorsorge- oder Kontrolluntersuchung vornehmen zu lassen. Zudem bietet Telemedizin die Möglichkeit, sich den Praxisbesuch zu sparen und einfach von zu Hause aus ärztlichen Rat einzuholen.

Genauso kann Telemedizin wie erwähnt dazu beitragen, das knappe Budget vieler Gesundheitsversorger zu entlasten, die vielleicht durch staatliche Einschränkungen unter finanziellem Druck stehen. Sie haben oft Schwierigkeiten, bestimmte Leistungen zu finanzieren, und müssen deshalb versuchen, an anderer Stelle finanzielle Ressourcen dafür freizusetzen. 

Durch eine effizientere Bereitstellung von Gesundheitsleistungen könnte Telemedizin bei der Lösung solcher Probleme helfen und es den Versorgern ermöglichen, finanzielle Mittel einzusparen und an anderer Stelle einzusetzen. Damit würden dringend für andere Zwecke benötigte Gelder verfügbar gemacht und am Ende bessere Ergebnisse für die Patienten erzielt. Schon allein deshalb ist damit zu rechnen, dass sich die Telemedizinservices immer weiter durchsetzen werden.

Der größte potenzielle Nutzen der Telemedizin ist jedoch, dass sie dazu beitragen kann, Patienten besser medizinisch zu versorgen, ihre Lebensqualität zu verbessern und Leben zu retten. Mit Telemedizin ist es für Patienten und Ärzte gleichermaßen möglich, sich gegenseitig zu kontaktieren, um den Behandlungsverlauf, weitere Behandlungsoptionen etc. zu besprechen. 

Der zunehmende Einsatz von Telemedizin auch für komplexere Behandlungen verschafft den Patienten leichteren Zugang zu solchen Therapien und erhöht den Versorgungsstandard. Vorteile wie diese haben nicht nur marginale Bedeutung, sondern können sehr viel zur Lebensqualität der Patienten beitragen, die dadurch immer und überall die richtige Versorgung erhalten.

Die weite Verbreitung und Verfügbarkeit von Consumer-Technologie – das Smartphone ist für die meisten ein ständiger Begleiter geworden – könnte sinnvoll genutzt werden, um Patienten leichter zu erreichen. Videokommunikation mit dem Smartphone ist für uns im Alltag bereits selbstverständlich, es wäre also nur ein kleiner Schritt hin zur ärztlichen Videokonsultation. 

Sicherlich wird es einige Zeit dauern, bis alle Patienten (vor allem aus höheren Altersgruppen) sich an die Vorstellung gewöhnt haben, doch Telemedizin ist kaum mehr aus der Gesundheitsversorgung wegzudenken und könnte zur größten Errungenschaft unserer Zeit im Gesundheitswesen werden. In gleicher Weise werden auch die Vorteile der E-Health von der Fachwelt bereits weithin anerkannt.

Kategorien der Telemedizin

Kommen wir noch einmal auf die schon erwähnten verschiedenen Kategorien der Telemedizin zurück. Telemedizin ist nicht nur die Videosprechstunde mit dem Arzt, wie wir sie vielleicht schon selbst erlebt oder in den Medien gesehen haben, sondern ein deutlich breiterer Begriff, der auch andere Technologien beinhaltet. Dasselbe gilt für die E-Health, die noch weiter darüber hinaus geht. 

Mit der laufenden Weiterentwicklung und zunehmenden Verbreitung der Telemedizin werden voraussichtlich weitere neue telemedizinische Services und Technologien hinzukommen. Im Folgenden stellen wir die Kategorien der Telemedizin und ihr jeweiliges Tätigkeitsfeld genauer vor.

1. Store-and-Forward

Store-and-Forward-Telemedizin, auch bekannt als asynchrone Telemedizin, wird von medizinischem Fachpersonal zum Austausch von Patienteninformationen zwischen verschiedenen Standorten genutzt. Zu diesen Informationen gehören zum Beispiel: 

  • Videos 
  • Testergebnisse
  • Bildgebende Untersuchungen 
  • Sonstige für die Patientenversorgung relevante Informationen 

Diese Art des Informationsaustauschs ist jedoch nicht mit einfacher E-Mail zu verwechseln, da sie strengsten Sicherheitskontrollen unterliegt, um die Vertraulichkeit medizinischer Daten oder anderer patientenbezogener Informationen zu gewährleisten.

Die asynchrone (Store-and-Forward) Telemedizin bietet sowohl für Ärzte als auch Patienten verschiedene Vorteile, vor allem hohe Effizienz. Patienteninformationen können viel einfacher von einem Spezialisten zum anderen weitergeleitet werden, was eine schnellere Diagnose und effizientere Behandlung erlaubt. 

Kollegen an verschiedenen Standorten können leichter zusammenarbeiten, weil sie Informationen und Gesundheitsdaten des Patienten problemlos untereinander austauschen und begutachten können. Asynchrone Telemedizin ist vergleichbar mit Collaboration-Lösungen, wie sie viele von Ihnen sicherlich aus dem eigenen Arbeitsumfeld kennen.

Store-and-Forward-Plattformen für Telemedizin bieten auch Gesundheitsversorgern den Vorteil eines schnellen und sicheren Informationsaustauschs zwischen verschiedenen Standorten. Wird zum Beispiel eine Patientenakte von einem Gesundheitsversorger am früheren Wohnsitz der Person auf einem anderen Kontinent benötigt, kann Store-and-Forward die Entfernung problemlos überbrücken. Häufig eingesetzt wird es unter anderem in den Bereichen Radiologie, Augenheilkunde, Dermatologie und Pathologie.

2. Telemonitoring

Telemonitoring dient dazu, Patienten mithilfe verschiedener Geräte aus der Ferne zu betreuen und zu überwachen. Es wird auch als Selbst-Monitoring oder Selbst-Testing bezeichnet und erlaubt es medizinischen Fachkräften, den Gesundheitszustand von Patienten aus der Ferne zu beobachten. Man setzt Telemonitoring daher häufig zur Überwachung chronischer Krankheiten wie Asthma, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein.

Patienten mit Diabetes zum Beispiel können Telemonitoring nutzen, um ihre behandelnden Ärzte über den Blutzuckerspiegel zu informieren, und auch für Patienten, die in sozialen Betreuungseinrichtungen wohnen, kann Telemonitoring zur Gesundheitsüberwachung nützlich sein. Es gibt ihnen die Möglichkeit, Tests zu Hause im privaten Umfeld selbst durchzuführen und die Daten anschließend an die behandelnden Ärzte weiterzuleiten, anstatt dafür extra eine Klinik oder Praxis aufsuchen zu müssen.

Zu beachten ist jedoch, dass beim Selbsttest das Risiko besteht, ihn als Laie möglicherweise nicht richtig auszuführen und so entweder ein unzuverlässiges, ineffektives oder gar kein Ergebnis zu erhalten. Diesen Aspekt müssen Telemedizin-Anbieter und Gesundheitsversorger grundsätzlich berücksichtigen und den Patienten klare Anweisungen für die Ausführung des Telemonitoring geben. Die Praxis zeigt dennoch, dass Ergebnisse beim Telemonitoring ähnlich genau sind wie Ergebnisse bei Standardtests durch medizinisches Fachpersonal.

3. Echtzeit-Telemedizin

Diese Kategorie der Telemedizin dürfte den meisten Patienten bekannt sein (auch jenen, die sie noch nicht genutzt haben). Sie bietet unter anderem einen einfachen Weg zu medizinischer Fachberatung im Krankheitsfall und spart den Aufwand eines persönlichen Praxisbesuchs, was vor allem für Menschen mit Mehrfachbeschwerden eine große Erleichterung bedeutet. Eine typische Funktion von Telemedizin-Apps sind ärztliche Konsultationen per Live-Video.

Mithilfe einer Videokonferenz-Software werden diese in Echtzeit durchgeführt. Durch die Weiterentwicklung der Internettechnologie in den vergangenen Jahrzehnten ist es jetzt möglich, online unterbrechungsfreie Telekonsultationen per Video abzuhalten. 

Die anderen Kategorien der Telemedizin unterscheiden sich von der Echtzeit-Telemedizin hauptsächlich darin, dass sie oft nur eine Ergänzung zum persönlichen Praxis- oder Klinikbesuch bilden, während die Echtzeit-Telemedizin in der Regel den persönlichen Termin ersetzt. Dieser wird dann gegebenenfalls erst später im Rahmen einer Weiterbehandlung erforderlich.

Da Echtzeit-Telemedizin so praktisch und einfach ist, kommt sie in den verschiedensten Situationen zur Anwendung. Hierzu zählen: 

  • Primär- und Notfallversorgung
  • Behandlung chronischer oder langfristiger Erkrankungen
  • Nachsorgebesprechung 

Trotz scheinbarer Ähnlichkeit ist ein Arztgespräch per Video nicht zu verwechseln mit der alltäglichen Kommunikation über bekannte Video-Apps. Da in einer Telekonsultation vertrauliche Inhalte besprochen werden, müssen Telemedizin-Apps zum Schutz der sensiblen Patientendaten vielfach höhere Sicherheitsanforderungen erfüllen.

Doch es hat nicht nur praktische Gründe, ärztliche Konsultationen mithilfe einer Software für Echtzeit-Telemedizin durchzuführen. Auch Kostengründe (potenzielle Entlastung knapper Budgets, siehe oben) und höhere Patientenzufriedenheit spielen eine Rolle. Sich zur laufenden medizinischen Versorgung regelmäßig um einen Arzttermin zu bemühen und immer wieder persönlich die Praxis aufzusuchen, kann auch für Patienten ohne Mobilitätseinschränkung sehr mühsam sein. Dieser Aufwand entfällt mit Telemonitoring, das sich deutlich leichter im vollen Terminkalender unterbringen und mit der Kinderbetreuung vereinbaren lässt.

Neben der allgemeinärztlichen Standard-Videokonsultation gibt es weitere Arten der Echtzeit-Telemedizin. Mittels Teleneuropsychologie etwa werden neuropsychologische Untersuchungen durchgeführt, um festzustellen, ob bei Patienten eine kognitive Störung oder andere psychische Erkrankungen vorliegen. Telepflege wird eingesetzt, um bei Patienten mit eher leichten Erkrankungen eine Ferndiagnose zu stellen oder Symptome zu beobachten. 

Telepharmazie stellt pharmazeutische Beratung für Patienten zur Verfügung, und Telerehabilitation kann zur Beaufsichtigung der klinischen Maßnahmen und der Therapie von Patienten genutzt werden, die sich in physischer Reha befinden.

Es ist Aufgabe der Gesundheitsversorger und Telemedizin-Anbieter, die zu behandelnde Person entsprechend zu beraten, um die für sie richtige Lösung zu finden, ganz gleich, welche Kategorie von Telemedizin benötigt wird. Jede hat ihr eigenes Anwendungsfeld, und mit der laufenden Weiterentwicklung der Technologie werden neue telemedizinische Services hinzukommen. 

Hauptziel der Telemedizin ist es, den Patienten die benötigte Versorgung dem allgemeinen Standard entsprechend und in der für sie geeigneten Form zur Verfügung zu stellen. Man darf hoffen, dass Telemedizin in den kommenden Jahren immer mehr Menschen einen besseren Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung ermöglichen wird. Dies betrifft vor allem Menschen, die nur eingeschränkt mobil sind, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben oder denen in abgelegenen Regionen keine fachärztliche Versorgung zur Verfügung steht.

Grenzen der Telemedizin

Über die Vorteile der Telemedizin sprachen wir bereits. Nun kommen wir zu den Defiziten, die – wie bei jeder neuen Technologie – ebenfalls dazugehören und beachtet werden müssen. 

Die Verbreitung der Telemedizin wird weiterhin durch verschiedene Hindernisse gebremst. Sie sind einmal auf gesellschaftlich verwurzelte Haltungen und Gewohnheiten in Bezug auf das Gesundheitswesen zurückzuführen und zum anderen auf die altersbezogene Akzeptanz. Es ist wichtig, sich dieser Hindernisse bewusst zu sein, um sie langfristig zu überwinden. 

Wo also liegen die Schwierigkeiten, wie wirken sie sich auf die flächendeckende Einführung videobasierter medizinischer Teleservices aus und inwieweit sind sie in den kommenden Jahren überwindbar? Damit wollen wir uns im Folgenden beschäftigen.

Ein naheliegender Aspekt, der vielen Patienten weiterhin Sorge bereitet, ist, dass es durch die Einführung von Telemedizin schwieriger werden könnte, eine persönliche Sprechstunde zu bekommen. Hier handelt es sich wieder um einen teilweise altersbedingten Faktor – ältere Menschen, die mit diesen Technologien allgemein weniger vertraut sind (insbesondere im medizinischen Bereich), werden Telemedizin-Services möglicherweise eher skeptisch und zurückhaltend gegenüberstehen. 

Auch der finanzielle Aspekt für Gesundheitsversorger wurde bereits erwähnt. Einige von ihnen könnten versucht sein, medizinische Dienste mit persönlichem Kontakt zu reduzieren, zugunsten von kostensparenden Telemedizin-Konsultationen oder Videosprechstunden, auch wenn viele Patienten diese skeptisch sehen oder sich ein ausgeglichenes Verhältnis beider Formen wünschen.

Fest steht natürlich, dass Telemedizin den persönlichen Besuch in der Klinik, Notfallambulanz oder Praxis nie vollständig ersetzen wird. In der Medizin werden immer physische Untersuchungen nötig sein, damit Ärzte sich selbst ein Bild machen können, woran ihre Patienten leiden. Viele empfinden die Telemedizin zudem als unpersönlich und fühlen sich wie am Fließband abgefertigt – eine eher unbegründete Kritik, da der Standard einer Konsultation jeweils von der behandelnden Person abhängt, auch wenn diese selbst oft bestimmten Einschränkungen unterliegt. Doch die Sichtweise ist noch immer weit verbreitet und darf nicht ignoriert werden. Gesundheitsversorger stehen in der Verantwortung, die persönliche Behandlung und Konsultation nicht in unangemessenem Umfang durch Telemedizin zu ersetzen, sondern beiden Szenarien ihren Platz einzuräumen.

Als weiteres potenzielles Problem kann es zu einer Beeinträchtigung der Versorgungskontinuität kommen, wenn Telemedizin nicht mit der nötigen Sorgfalt angewendet wird. Dieser Faktor spielt besonders für Patienten mit lang andauernden oder mehrfachen Erkrankungen eine entscheidende Rolle. 

Patienten, die nicht nur von einem, sondern von mehreren Ärzten telemedizinische Beratung erhalten, fühlen sich durch diese fehlende Kontinuität unter Umständen umhergeschoben. Wer sich bei einer Telemedizin-App anmeldet, kann eine Sprechstunde vereinbaren, jedoch keine Wünsche äußern, bei wem. Es ist Aufgabe der Telemedizin-Anbieter, den Patienten Kontinuität zu garantieren und dafür zu sorgen, dass sie durchgehend bei einem Ansprechpartner bleiben können.

Einführung und Ausbau von Telemedizin-Services sind oft auch für die Anbieter eine Herausforderung. Im Vordergrund steht dabei die Kostenfrage, da die Technologie sehr teuer ist und weitere Kosten nach sich zieht. 

Ärzte und Mitarbeiter müssen geschult werden und möglicherweise ihre Arbeitsprozesse umstellen, um Telemedizin-Services anbieten und verwalten zu können. Auswirkungen auf die Mitarbeiterproduktivität werden deshalb nicht ausbleiben, zumindest während der Einarbeitungs- und Integrationsphase.

Darüber hinaus müssen sich sowohl Patienten als auch Versorger mit den komplexen Richtlinien und regulatorischen Anforderungen für Telemedizin auseinandersetzen. Zwar sind die Datenschutzvorschriften für vertrauliche Patientendaten im medizinischen Bereich ohnehin beruflicher Standard und daher jedem Gesundheitsversorger bekannt, in der Telemedizin jedoch gelten spezifische Anforderungen, die zu Anfangsschwierigkeiten führen können. 

Ebenso sollten die Patienten darauf hingewiesen werden, welche Rechte sie haben und welche Maßnahmen ihren Schutz bei der Nutzung von Telemedizin-Services gewährleisten. Dies könnte viel dazu beitragen, Vorbehalte gegenüber der Technologie abzubauen, die Transparenz zu verbessern und die allgemeine Akzeptanz der Telemedizin zu erhöhen.

Vieles deutet also darauf hin, dass die Telemedizin höchstwahrscheinlich auch nach der Pandemie eine vielversprechende Zukunft im Gesundheitssystem haben wird.

Terminologie der Telemedizin

Wie Sie inzwischen wissen, geht es auch viel um Terminologie, wenn man sich erstmals mit Telemedizin beschäftigt und erfahren möchte, wie sie funktioniert. Es ist uns hoffentlich bis hierher gelungen, Ihnen die Thematik auf interessante, einfach verständliche Weise zu erläutern. In den vorigen Abschnitten haben wir versucht, die verschiedenen derzeit verfügbaren Telemedizin-Dienste, ihren Zweck und ihre potenziellen Vorteile für Patienten und Gesundheitsversorger darzulegen. Die Telemedizin ist zwar in den vergangenen Jahren exponentiell gewachsen, doch bis heute wissen viele Patienten nur sehr wenig über das Thema.

Wir wollen an dieser Stelle eine kleine Einführung in die Terminologie und Sprache der Telemedizin geben und haben deshalb das folgende kurze Glossar zusammengestellt.

  • Telemedizin: Fernbereitstellung von Konsultationen, Evaluationen, Diagnosen und Behandlungen durch einen Gesundheitsversorger für Patientinnen und Patienten mithilfe von Mobilgeräten. Sie umfasst Video- oder Audio-Sprechstunden sowie Telemonitoring und den Austausch von Patientendaten oder Labor- und Testergebnissen.
  • Telehealth (in Deutschland bekannt als E-Health): Nutzung von Telekommunikationstechnologien zur Bereitstellung oder Unterstützung medizinischer Versorgung. Telemedizin kann daher als eine Form oder ein Teilbereich der Telehealth verstanden werden.
  • Informatik: Nutzung von Computertechnologien zum Zweck der Verarbeitung und Analyse von Daten und Informationen. Informatik gewinnt durch die zunehmende Verbreitung von Big Data immer mehr an Bedeutung, denn es geht nicht nur darum, Daten zu erfassen, sondern auch zu wissen, wie man sie analysiert und nutzt.
  • Diagnosegeräte: Hardwaregeräte, die im Unterschied zu einem Zentralcomputer für die Ermittlung medizinischer Daten oder den Datenaustausch mit einen Computer verwendet werden können. Zu diesen Geräten gehören z. B. Stethoskope, Digitizer oder Kameras.
  • Interaktives Video: Videokonferenztechnologie für interaktive, synchrone Zwei-Wege-Kommunikation. Diese Technologie ist Bestandteil jeder Telemedizin-Plattform, unterscheidet sich jedoch aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen zum Schutz der Patientendaten von normalen Videokonferenz-Apps.
  • Telepharmazie: Fernbereitstellung von Apothekendiensten per Audio- oder Video-Verbindung über eine Telemedizin-Software, wenn der persönliche Apothekenservice nicht verfügbar oder nicht zugänglich ist.
  • Teledermatologie: Fernbehandlung oder Telekonsultation für Patienten mit Hautproblemen.
  • Telepsychiatrie: Fernbetreuung (z. B. Telekonsultation, Telemonitoring und Teleevaluation) von Patienten mit Verdacht auf eine psychische Erkrankung, um auch für Personen mit eingeschränkter Mobilität eine angemessene Versorgung und Beratung zu gewährleisten.
  • Teleradiologie: Austausch von Ergebnissen radiologischer, Röntgen- oder anderer bildgebender Untersuchungen beispielsweise zwischen dem Standort der Praxis, in der die Untersuchung durchgeführt wird, und dem Standort der Analyse-/Diagnostikstelle. Dieses Verfahren gehört zur Kategorie der asynchronen Telemedizin (Store-and-Forward).
  • Telerehabilitation: Bereitstellung und Beaufsichtigung von Rehabilitationsmaßnahmen nach einer physischen Schädigung oder Verletzung. Für Personen mit schwereren körperlichen Verletzungen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, ist Telerehabilitation oft eine einfachere und praktischere Lösung.
  • Application Service Provider (ASP): Die Unternehmen oder Gesundheitseinrichtungen, die die telemedizinischen Dienste bereitstellen. Der Zugang zu diesen Diensten hängt davon ab, um welche Art von Gesundheitsversorger es sich handelt. Die Bezahlung erfolgt je nach Art der Dienste und Standort durch eine öffentliche Gesundheitsbehörde, durch einen Versicherer oder durch den einzelnen Nutzer selbst, der einen Dienst direkt beim ASP kauft. Nutzer können zum Beispiel bestimmte Dienste wie On-Demand-Videokonsultationen bei Telemedizin-Unternehmen gebührenpflichtig abonnieren.

Fazit

Wir haben uns nun einen Überblick über die aktuelle Situation der Telemedizin verschafft und wissen, wie sie sich finanziell und medizinisch auswirkt, welchen Nutzen sie für Patienten bietet und welche Dienste sie derzeit umfasst. Nicht fehlen sollte an dieser Stelle der Ausblick in die Zukunft. 

Schon jetzt ist absehbar, dass es nach COVID-19 einige Zeit dauern wird, bis wir – wenn überhaupt – zur Normalität zurückkehren können. Klar ist auch, dass die Pandemie sich vielfältig und nachhaltig auswirken wird, z. B. auf unsere Arbeitswelt, unsere Kommunikation und die Art und Weise, wie wir auf Dienste zugreifen. 

Der Gesundheitssektor ist ein Bereich, für den man jetzt schon sicher sagen kann, dass ihn das Virus unwiderruflich verändern wird. Das heißt, es wird Anwendungsmöglichkeiten für und einen Bedarf an Telemedizin-Technologie geben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sieht die Zukunft des Gesundheitswesens so aus, dass bei der Behandlung und Eindämmung von Infektionskrankheiten deutlich stärker auf Telemedizin-Lösungen gesetzt wird. 

Wie wir wissen, haben Ärzte und Gesundheitsversorger bereits begonnen, Telemedizin-Dienste hochzufahren, um die Menschen außerhalb der Warteräume von Praxen und Kliniken zu halten, fern von engen, überfüllten Räumlichkeiten, die eine Virusübertragung befördern. Telemedizin bietet also die Möglichkeit, ohne persönliches Erscheinen einfachen Zugang zu fachärztlicher Hilfe und Beratung zu erhalten. 

Sie könnte im Falle künftiger oder potenzieller Pandemien schnell hochgefahren werden und zur Eindämmung beitragen.

Darüber hinaus scheint Telemedizin die Beziehung der Patienten zu ihren Ärzten eher zu stärken und sie nicht – wie von manchen befürchtet – zu bloßen Konsumenten der medizinische Dienste ihrer Ärzte zu machen. 

Einer der wichtigsten Vorteile der Telemedizin besteht wie schon erwähnt darin, dass sie es den Betroffenen enorm erleichtert, ärztlichen Rat zu suchen, wenn sie sich krank fühlen oder ein gesundheitliches Problem vermuten. Der Gedanke an einen persönlichen Praxisbesuch hat für viele Patienten etwas Abschreckendes an sich, wohingegen die Beratung per Telemedizin von zu Hause aus deutlich weniger Überwindung kostet. Es ist zu hoffen, dass auf diese Weise häufiger Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen werden, um schwerwiegende Erkrankungen früher zu diagnostizieren und potenziell mehr Leben zu retten.

 

Ursprünglich veröffentlicht 25 Feb, 2021, Aktualisiert 13 Jan, 2023

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